Lieber Mensch,
in vielen meiner Begegnungen geht es auch um das Betrachten der eigenen Biografie. Ich meine, dass sich die Linien einer Biografie aufspannen zwischen zwei Polen: Dem Pol des Habens, des sich immer wieder Erkennens im Vertrauten und dem Pol des Aufbruchs, sich aufzuraffen zu einem Verzicht auf Gewohntes und Gehabtes. Gäbe es nur das Haben – das wäre Erstarrung, oder nur den Aufbruch – dies wäre Verbrennung. Und es gibt einen Zwischenzustand. Auf der einen Seite das Nicht-mehr-Haben, das Herausgeworfen-Sein aus dem Behalten-Können oder Wollen und auf der anderen Seite das Erahnen des Gegenpols: Aufrichtung und Aufbruch.
Aufbruch, Durchbruch, ein Sich-Ausrichten ist eine Seite des menschlichen Wesens. Ich meine, wir erleben diese seltener, dafür aber umso einschneidender und beeindruckender. Nach langem Zögern, Bedenken, Nicht-Wissen und ängstlichem Hinausschieben treffe ich unvermittelt eine klare Entscheidung und handle – alle Ängstlichkeit hinter mir lassend, ein Abschütteln des Noch-Nicht, so wie ein Anspannen eines Bogens und einem Loslassen in konzentrierter Dynamik, Geschwindigkeit und Geradlinigkeit.
Intuition - jenseits des Verstandes
Brauchst du für eine Entscheidung ein Ziel oder eine Richtung? Ich meine, der Unterschied ist subtil. Ein Ziel ist etwas klar Umrissenes – eine Richtung ist intuitiv. Ein Ziel ist etwas außerhalb von einem, mehr wie ein Ding. Eine Richtung ist ein inneres Gefühl – nicht ein Objekt, sondern deine eigene Subjektivität. Eine Richtung kannst du fühlen, doch du kannst sie nicht kennen. Ich meine, Richtung ist etwas Lebendiges, etwas, was in jedem Moment da ist. Sie kennt keine Zukunft und keine Vergangenheit, sie atmet, pulsiert, hier und jetzt. Und aus diesem pulsierenden Moment heraus entsteht der nächste Augenblick.
Wann immer du in einer Situation, einem Moment, einer Phase deines Lebens verwirrt bist, nicht weiter weißt, versuche doch einmal dieses: Denke nicht nach. Lass dich in tiefes Nicht-Denken fallen und erlaube deinem inneren Führer, dich zu leiten. Übe Hingabe. Du brauchst keine Landkarte, nur eine große Sehnsucht, zu erforschen und zu entdecken. Ich meine, wahre Selbst-Erkenntnis kommt aus dem Herzen, aus den innersten Tiefen deines Seins, nicht aus dem Intellekt. Sei kopflos – folge deinem inneren Sein, egal wohin du dich dann selbst führst. Selbst wenn du dich in die Gefahr führst, begib dich in Gefahr, denn dies ist der richtige Weg für dich und dein Wachstum. Folge dem Weg, vertraue dem Weg. FOLGE UND VERTRAUE - DIR.
„Nach neuen Meeren
Dorthin - will ich; und ich traue
Mir fortan und meinem Griff.
Offen liegt das Meer, ins Blaue
Treibt mein Genueser Schiff.
Alles glänzt mir neu und neuer,
Mittag schläft auf Raum und Zeit -:
Nur dein Auge - ungeheuer
Blickt michs an, Unendlichkeit!“
Lieber Mensch! Und dann? Dann ist es wie ein Nachhause-Kommen. Auch ein Paradox. Du verlässt das, worin du zu Hause warst, was einmal Geborgenheit und Sicherheit gab und später Fessel wurde – und kommst erneut nach Hause. Aber jetzt ist es ein anderes zu Hause. Ein Zuhause in dir. Also - VERTRAUE - DIR.
SONNIGES + HERZLICHES